Tradition und Politik der Emirate

Der Titel Sheikh (dt.: Scheich) ist sehr alt und war bei den arabischen Familienstämmen dem Oberhaupt vorbehalten. Der Titel wird nicht verliehen, sondern ergibt sich aus dem Rang, den sein Träger in der Öffentlichkeit hat. Die Anrede Sheikh und für die Frauen Sheikha ist der bescheidenste aller arabischen Herrschertitel, und ihn tragen nur die Machthaber der sieben Emirate. Allerdings werden heutzutage, z.B. in den Medien, auch die Söhne der Machthaber und Berühmtheiten des öffentlichen Lebens als Sheikhs bezeichnet.

Die traditionelle familiäre Organisationsstruktur der Beduinenstämme wurde auch nach der Gründung der VAE beibehalten, und die Machthaber der einzelnen Emirate gehören jeweils einer Großfamilie an. In Abu Dhabi herrschen die Al Nahyan, in Dubai die Al Maktoum. Sharjah und Ras al-Khaimah werden jeweils von einer Linie der Al Qasimi regiert. Die Al Nuami leiten die Geschicke Ajmans, die Familie der Al Mualla lenkt das Emirat Umm al-Quwain, und an der Ostküste im Emirat Fujairah herrschen die Al Sharqi.

Der westlich geprägte Besucher ist vielleicht irritiert darüber, dass in den VAE Erhalt und Ausübung politischer Macht an Geburtsrechte und Familienhierarchie gebunden sind. Auch die Gründung von Parteien und Gewerkschaften ist verboten. Die Herrscher der Emirate und der Präsident bzw. der Oberste Rat der VAE verfügen über eine Machtfülle, wie es in westlichen Demokratien nicht vorkommt, ja nicht sein darf. Trotzdem sollte man nicht übersehen, dass das Regierungssystem auf den Traditionen der Beduinenstämme basiert und hier herrschte das Prinzip von Konsens und Kompromiss. Meinungsfreiheit, Diskussionsrunden und verbindliche Abstimmungen waren seit jeher bei den Stammesversammlungen üblich und sind auch heute noch ein von allen geachteter und akzeptierter Weg, Entscheidungen zu treffen.

An der Spitze der VAE stehen die sieben regierenden Scheichs; sie bilden gemeinsam den Obersten Rat, den Federal Supreme Council. Dieser übt die Funktion der Regierung aus, bestimmt die Richtlinien der Politik, beruft das Kabinett und die beratende Nationalversammlung und ist die gesetzgebende Kraft. Das Oberhaupt des Rats ist der Staatspräsident, der alle fünf Jahre neu gewählt wird bzw. unbegrenzt oft im Amt bestätigt werden kann. Seit Gründung der VAE hat diesen Posten der Emir von Abu Dhabi inne. Der Vizepräsident der Föderation und Premierminister ist seit Gründung der VAE der Emir von Dubai.

Ein sehr bedeutender und tief verehrter Sheikh in der jungen Geschichte der Vereinigten Arabischen Emirate war Zayed Bin Sultan Al Nahyan (1918-2004). Er wird auch der „Vater der Emirate“ genannt, da die Gründung der Föderation maßgeblich auf seine Idee und sein Betreiben hin geschah. Weltweit wurde ihm Anerkennung gezollt, als er nach dem Rückzug der Briten aus der Region (1971) mit Geschick, viel Feingefühl und noch mehr Geldgeschenken die einzelnen Herrscher der Emirate an einen Tisch holte, die Interessen aller unter einen Hut brachte und die VAE initiierte. Er wurde zur Integrationsfigur des Bündnisses, und ihm ist es zu einem großen Teil zu verdanken, dass die VAE bis heute als der erfolgreichste Staatenbund der arabischen Welt gelten.

Geboren wurde Zayed 1918 in Al Ain. Seine Heimat regierte er von 1946–1966, und schon bei der Verwaltung dieser Oase legte er Wert auf nachhaltige Investitionen. Er erwarb sich den Ruf eines „guten Landesvaters“, den er zeitlebens behielt. Von Wegbegleitern und Untertanen wird er als volksnah und bodenständig beschrieben, als ruhige, schlaue Persönlichkeit, vielleicht ohne große Schulbildung aber mit modernem, visionärem Weitblick und vor allem immer mit einem offenen Ohr für die Bedürfnisse der Bevölkerung – eben ein echter „Bedu“, wie sich die arabischen Nomaden selbst nennen.

1966 unternahm Zayed den ersten entscheidenden Schritt für die moderne Entwicklung der gesamten Golfregion und putschte unblutig gegen seinen über Abu Dhabi herrschenden Bruder. In der Folge wurde er zum Emir von Abu Dhabi. Damit waren die Weichen für die rasante Entwicklung der Region gestellt, denn Zayed förderte die Ölbohrungen der Briten und investierte die Erlöse in Land und Leute. 1971 folgte dann der zweite wichtige Schritt: Zayed initiierte zusammen mit dem damaligen Herrscher von Dubai Sheikh Rashid Bin Saeed Al Maktoum am 2. Dezember 1971 die Gründung der VAE. Er wurde auch zum ersten Präsidenten der Föderation gewählt und blieb es sein Leben lang. Im Jahr 2004 starb Zayed nach langer Krankheit und wird bis heute von der Bevölkerung sehr verehrt.

Ihm folgte sein Sohn Khalifa auf den Thron. Er hatte schon zu Lebzeiten seines Vaters das Amt des Premierministers von Abu Dhabi inne, war enger Vertrauter und Gleichgesinnter, und während der langen Krankheit seines Vaters leitete er kommissarisch dessen Amtsgeschäfte. Am Tag nach dem Tod des „Vaters der Emirate“ wurde Khalifa als Nachfolger offiziell bestätigt und verkündete, an der Politik seines Vorgängers nichts ändern zu wollen. Er regiert noch heute (2009) Abu Dhabi, und Sheikh Khalifa Bin Zayed Al Nahyan, wie sein gesamter Titel lautet, fungiert wie sein Vater auch als gewählter Präsident der Föderation.

Nachhaltige Wirkung auf die Entwicklung Dubais hatte der 1913 geborene Sheikh Rashid Bin Saeed Al Maktoum, der Dubai von 1958 bis 1990 regierte. Ähnlich visionär wie sein Amtskollege in Abu Dhabi, erkannte er die Zeichen der Zeit und investierte in Projekte, die die Basis für den heutigen Wohlstand und Weltruf der Metropole Dubai schufen: Der Ausbau des Creeks zu einer modernen und gut zu befahrenden Wasserstraße, die Eröffnung einer ersten Landebahn des heutigen Dubai International Airports, der Bau der Häfen Port Rashid und Jebel Ali, sowie des World Trade Centers und der Jebel Ali Freihandelszone sind nur ein paar der Meilensteine, die Sheikh Rashid zum Wohle Dubais legte. Sein größter Coup jedoch war es, zusammen mit Zayed Bin Sultan Al Nahyan, 1971 die VAE zu gründen. Auf Betreiben der beiden weitsichtigen Herrscher kam es folglich am 2. Dezember 1971 im königlichen Strandpalast in Dubai zu einem Treffen der Emire von Abu Dhabi, Dubai, Sharjah, Ajman, Fujairah und Umm al-Quwain und die provisorische Verfassung der Vereinigten Arabischen Emirate wurde unterzeichnet.

Während seiner 32-jährigen Regentschaft behielt Sheikh Rashid immer im Bewusstsein, dass die Ölvorkommen Dubais sehr viel endlicher sind als die Abu Dhabis. Daher richtete er sein Augenmerk auf den Aufbau einer Wirtschaftstruktur, die auch unabhängig von den Petrodollars erfolgreich arbeiten kann. Als Rashid 1990 starb, wurde der älteste seiner vier Söhne, Sheikh Maktoum Bin Rashid Al Maktoum, Staatsoberhaupt von Dubai und sein dritter Sohn, Sheikh Mohammed Bin Rahid Al Maktoum, Kronprinz.

Schon als designierter Nachfolger im Schatten seines herrschenden Bruders war Mohammed eine auf dem politischen Parkett herausragende Persönlichkeit und ein aufgrund seiner Beharrlichkeit und Findigkeit ein beeindruckender Wirtschaftsmotor. So erfand er u. a. das inzwischen weltweit bekannte DSF (Dubai Shopping Festival). Außerdem schuf er sich eine stattliche Flotte an staatlichen (Bau-)Unternehmen wie Nakheel, die die Großprojekte, wie z. B. die Palmen effizient und zielstrebig umsetzen. Er ist der Hauptaktionär der Dubai Holding und 2006, nach dem Tod seines großen Bruders, wurde Mohammed der Emir von Dubai. Bis heute (2009) führt er seinen Stadtstaat ähnlich einem Generaldirektor im Stil einer Großfirma. Wer der Nachfolger von „Sheikh Mo“ wird, wie er voller Respekt auch genannt wird, ist derzeit noch offen.

Die Scheichs
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