Die Istanbuler und ihre Stadt

Ethnien in Istanbul

Sicher ist Istanbul die westlichste Metropole innerhalb der islamischen Welt, wer die Stadt aber jenseits der Shoppingmeilen und Szeneviertel erkundet, wer Kirchen, Moscheen und Grabmäler besucht und in Stadtteilen wie z.B. in Fatih herumstreift, wird auch jenes tiefislamische Istanbul entdecken, das man so nur in anderen Regionen vermuten würde. Streng verschleierte Frauen und Männer mit religiösen Kopfbedeckungen gehören hier zum alltäglichen Bild. Auch sind zum Teil ganze Straßenzüge seit Jahrhunderten von Mitgliedern eines alt-islamischen Ordens bewohnt.

Die Mehrheit der Istanbuler bekennt sich fraglos zum Islam. Muslime verschiedener Glaubensrichtungen prägen die größte Religionsgruppe der Metropole, wobei sich die meisten als Sunniten begreifen. Zu den Aleviten bekennen sich dagegen nur 15-30 Prozent. Die dem Sufismus, der islamischen Mystik, anhängenden Istanbuler gehen ihrem Glauben seit vielen Jahren in kurzerhand gegründeten „Kulturvereinen“ nach. Derwisch-Orden (Tariqas) sind offiziell seit 1925 von Kemal Atatürk verboten worden.

In Istanbul leben die verschiedenen ethnischen Minderheiten sehr dicht zusammen und bilden ein wahres konfessionelles Mosaik. Zu den bedeutendsten religiösen Minderheiten gehören die griechisch-orthodoxen Christen, die syrisch-orthodoxen Aramäer, die armenischen Christen und die sephardischen Juden. Die Metropole ist Sitz des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, des armenischen Erzbischofs und des türkischen Oberrabiners. Seit über 500 Jahren leben Juden in der Stadt, heute sind es wohl um die 25.000.

In der gesamten Türkei leben ungefähr 100.000 Christen, davon allerdings über 85.000 allein in Istanbul. Die Armenier sind als eine der traditionell dort lebenden christlichen Bevölkerungsgruppen mit 45.000 zahlenmäßig am stärksten vertreten. Die zweitgrößte christliche Ethnie stellen die Aramäer mit ca. 12.000 dar. Um die 10.000 Bosporus-Deutsche sollen nach Schätzungen ebenfalls in Istanbul leben, einige sollen sich bereits im damaligen Konstantinopel angesiedelt haben. Die Griechen stellen mit 4.000 die kleinste Gemeinschaft dar. Auch deutsche evangelische und katholische Gemeinden sind in Istanbul zu finden, ebenso österreichische. Mitunter liegen die Einrichtungen verschiedener Religionen auch innerhalb eines Viertels eng beieinander, so z.B. in Kuzguncuk.

Gotteshäuser

Entdecken Sie die unzähligen beeindruckenden religiösen Bauten dieser Stadt! Über 2.500 Moscheen, 215 Kleinmoscheen und 119 sog. Türben (muslimische Mausoleen) existieren innerhalb der Metropole, die sicher den einen oder anderen Besuch lohnen.

Neben diesen islamischen Sakralbauten existieren zudem zahlreiche christliche Kirchen der unterschiedlichen Bekenntnisse und Synagogen in ganz besonderer Lage, wie beispielsweise Sankt Stefan am Goldenen Horn oder die Agia Triada am Taksim-Platz. Insgesamt 16 Synagogen sind in der Stadt zu finden. Besonders hervorzuheben ist die 1951 eingeweihte Neve-Shalom-Synagoge im Stadtteil Beyoğlu, auf die in den letzten Jahren leider mehrere terroristische Anschläge verübt wurde.

Landflucht und Bauboom

Istanbul wuchs innerhalb der letzten Jahrzehnte rasend schnell. Immer mehr Menschen aus der gesamten Türkei zog es in die Metropole. Durch den steten Zuzug entstanden immer mehr der sog. Gecekondus, provisorische Häuser und Hütten, die beinahe über Nacht ganze Viertel neu entstehen ließen. Gecekondu bedeutet umgangssprachlich auch soviel wie „über Nacht gebaut“ und bezeichnet damit den Umstand, dass viele Neuankömmlinge ihre Unterkünfte möglichst in einer Nacht zu errichten versuchten, denn laut einer Art Jedermannsrecht gehörten über Nacht auf öffentlichem Boden erbaute Häuser dem Erbauer.

Zumeist werden zur richtigen Zeit, wenn wichtige Kommunalwahlen angesetzt sind, Amnestien von Seiten der Regierenden ausgesprochen, so dass die provisorischen Bauten weiterhin bestehen dürfen. Einige dieser Viertel werden vom Staat unterstützt, während andere, so z.B. in der historischen Altstadt, stark an Qualität und Ansehen verlieren. So entwickelten sich Bezirke wie Dolapdere oder Tarlabasi, unweit von Beyoğlu, zu Gegenden, in denen vor allem Menschen mit wenig Zukunftsperspektive leben: Flüchtlinge, Roma, Kurden und Gestrandete, die sich als Prostituierte, Strichjungen, Tagelöhner und Kleinkriminelle durchschlagen.

Generell lässt sich in Istanbul viel Gegensätzliches entdecken: Im Süden liegt die Altstadt mit ihren engen Gassen, ihrem Flair von einer längst vergangenen Zeit und den unzähligen Gotteshäusern. Im Norden des Goldenen Horns hingegen entstand ein hochmodernes glitzerndes Istanbul mit Flanier- und Einkaufsmeilen, in denen sich allabendlich die Jugend amüsiert. Das Gefälle zwischen arm und reich ist in Istanbul stark zu spüren, wie in vielen anderen Weltstädten auch. Ungefähr ein Fünftel der Istanbuler verfügt über 60 % der Kaufkraft/Einkommen, ein anderes Fünftel hingegen über kaum mehr als 5 %.

Glitzernde Einkaufsmeilen, Hochhäuser, teure Restaurants und Wellnesstempel gehören zu dieser Stadt ebenso dazu, wie traurige Trabantenstädte und überquellende Massenquartiere. In manchen Gegenden legen die Frauen noch Felle zum Trocknen auf das Pflaster und Früchte werden auf halb verfallenen Holzwägen zum Kauf feilgeboten. Dieses beinahe dörfliche altertümliche Istanbul unterscheidet sich doch sehr von der modernen reichen Stadt und hat seinen eigenen Reiz, auch wenn es mitunter irritierend und ernüchternd sein kann.

Politik

Mustafa Kemal Atatürk war der Begründer und zugleich der erste Präsident der türkischen Republik. Atatürk war ein beliebter und sehr charismatischer Herrscher. Noch heute begegnet man ihm auf Schritt und Tritt, denn viele Plätze und Strassen wurden nach ihm benannt und Statuen und Büsten ihm zu Ehren errichtet. Portraits und Fotografien von ihm zieren nicht nur die Wände in den Behörden, auch in den Teestuben oder beim Friseur kann man sein Konterfei erblicken.

Nach dem Ersten Weltkrieg spielte Atatürk eine bedeutende Rolle im Unabhängigkeitskrieg, durch den die moderne Türkei in ihren heutigen Grenzen hervorging. Atatürk leitete politische, soziale, rechtliche und kulturelle Reformen ein, und formte die Türkei zu einem modernen, demokratischen und laizistischen Staat. Der Staatsmann setzte sich für die Einführung eines Bildungssystems nach westlichem Vorbild ein, bei dem auch den Frauen die Teilhabe an der Lehre gestattet wurde und er verlieh ihnen das Wahlrecht, weit früher übrigens als dies in vielen Ländern Europas der Fall war.

Atatürk leitete die Einführung eines Strafgesetzbuchs ein, die Trennung von Staat und Religion, förderte eine allgemeine Alphabetisierungskampagne und beschleunigte die Ablösung des arabischen durch das lateinische Alphabet. Darüber hinaus wurde die Vielehe abgeschafft und die typischen Kopfbedeckungen der Männer wie Fes und Turban mussten abgelegt werden. Auch den Frauen empfahl Atatürk, den Schleier nicht mehr zu tragen, ein offizielles Verbot sprach er jedoch nicht aus.

Trotz der Reformen und großer Fortschritte verlief die Geschichte der türkischen Demokratie in der Folgezeit zumeist aber doch krisenhaft und das Militär musste oftmals eingreifen.

Seit den 80ern bemüht sich die Türkei stark um eine Integration in die Weltgemeinschaft und den Weltmarkt. Seit den 50ern zählt sie auch zur NATO. Ein sehr wichtiges Ziel der gegenwärtigen Politik ist der Beitritt zur EU, seit 1999 gilt sie als potentielles neues Mitglied. Ein Hindernis für ihre Aufnahme ist allerdings die umstrittene Menschenrechtssituation. Mehrere Gesetzes- (u. a. im Strafrecht) und Verfassungsänderungen wurden bereits vorgenommen, um eine Verbesserung herbeizuführen.

Feste und Feiertage

An den Feiertagen werden Sie immer auch einige geöffnete Läden finden. Zumindest Gemüseläden und jene Geschäfte, die besonders auf Touristen ausgerichtet sind, sind fast rund um die Uhr geöffnet. Zu den offiziellen Feiertagen zählen der 1. Januar (Neujahr), der 23. April (Unabhängigkeitstag; Tag der Kinder), der 19. Mai (Atatürkgedenktag; Tag der Jugend und des Sports), der 30. August (Nationalfeiertag) und der 29. Oktober (Gründungstag der türkischen Republik, 1923). Darüber hinaus gilt auch der Sonntag offiziell als Ruhetag.

Während des Ramadan, dem Fastenmonat der Muslime, der sich jedes Jahr laut islamischen Kalender verschiebt, wird 30 Tage lang tagsüber gefastet und erst nach Untergang der Sonne gespeist und getrunken. Beendet wird diese Zeit mit einem dreitägigen Zuckerfest, dem Şeker Bayramý, bei dem den Kindern Süßigkeiten geschenkt werden.  

Ebenso wie Ramadan verschiebt sich auch das alljährliche mehrtägige Opferfest Kurban Barami, das mit dem christlichen Oster- oder Weihnachtsfest verglichen werden kann.

Natur und Klima

Schon der französische Romancier Gustave Flaubert schwärmte von dem besonderen Landstrich an der Meerenge und beschrieb diese Gegend als eine "Landschaft voller Kraft und Weite“. Literaten aus allen Teilen der Welt inspirierte diese Region rund um Istanbul, diese Landschaft mit ihrer reichen Vegetation, den aufeinander treffenden Klimazonen, den Winden und dem Einfluss des Meeres.

Wunderschöne Badestrände liegen einladend an der Küste und beeindruckende Bootsfahrten auf dem Bosporus sind ein unbedingtes Muss für jeden Istanbulreisenden.

Sicher die schönste Reisezeit für Istanbul ist das Frühjahr und der Herbst. Mildes Klima herrscht zu dieser Jahreszeit, angenehme Temperaturen zwischen 14 und 22 Grad sind keine Seltenheit. Im Sommer hingegen kann es passieren, dass die Stadt vor Hitze brodelt, über 30 Grad im Schatten herrschen und sehr viele Touristen durch die Stadt flanieren. Dennoch ist das Klima in Istanbul aufgrund der besonderen Lage zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer insgesamt eher gemäßigt.

Gummistiefel und warme Kleidung sollten Sie in der Herbst- und Winterzeit dennoch auf keinen Fall vergessen: starke Regenfälle und Überschwemmungen treten gerade im Dezember und Januar auf und auch weiße Winter sind möglich. Im Sommer hingegen genügt leichte Sommerbekleidung und wärmere Bekleidung für die kühler werdenden Abendstunden. Die Regenmäntel und Schirme können sie zu dieser Zeit getrost daheim lassen.

Esskultur oder warum der Imam in Ohnmacht fiel

Die türkische Küche zählt neben der französischen und der chinesischen sicher zu den großen und vielseitigen der Welt! So vielfältig und besonders wie die Kultur innerhalb Istanbuls ist, so facettenreich ist auch die Küche dieser Stadt. Arabische, anatolische und balkanische Kochtraditionen mischen sich hier miteinander, und auch kaukasische Kochkünste und Einflüsse aus Europa können genossen werden, ob nun bei einem fliegenden Händler im Vorbeigehen oder am fein gedeckten Tisch. Herzhafte Köstlichkeiten, leckere Gemüsegerichte, einfaches aber feines Finger-Food und süße Nachspeisen mit so schönen Namen wie Diber Dugadi („Lippen der schönen Frau“) oder Hanim Göbedi („Frauennabel“), kleine Liebeserklärungen an die Frauenwelt, können Sie in ganz Istanbul speisen.  

Das Abendessen, das sich über Stunden hinziehen kann und bei dem der Gast mit einer schmackhaften kalten Vorspeisenplatte, den sog. mezeler, startet, ist die wohl wichtigste Mahlzeit. Die Türken bezeichnen sich oft selbst als Weltmeister im Gemüseverbrauch und so finden sich schon bei den Vorspeisen unzählige schmackhafte Gemüsegerichte wie z.B. gefüllte Paprika und Tomaten, gebratene Zucchini mit Öl, Essig und Joghurt verfeinert. Auch rangt sich eine amüsante Geschichte um ein schmackhaftes Auberginengericht: Als der Imam, als Vorbeter in der Moschee ein angesehener Mann, von diesem Gericht probierte, soll er wegen des überaus köstlichen Geschmacks in Ohnmacht gefallen sein. Probieren Sie es auch einmal selbst. Dieses Gericht trägt den schönen Namen „Der Imam fiel in Ohnmacht“ (Imam bayildi).

Ziegenkäse, Fisch und Geflügel spielen ebenfalls eine besondere Rolle und werden sehr variationsreich zubereitet, ebenso wie Lamm- und Hammelfleisch, das aus der türkischen Küche nicht wegzudenken ist. Salate, Suppen und herzhafte Pasteten krönen die Tafel und Süßspeisen wie Baklava (eine mit Nüssen gefüllte und mit Honig übergossene Pastete) oder Kabak Tatlisi (ein Kürbis, mit Zucker gekocht und mit Nüssen bestreut) verwöhnen den Gaumen. Getrunken werden nicht nur typische Getränke wie Ayran, ein leicht gesalzener Trinkjoghurt, Tee oder Raki, sondern auch frische Fruchtsäfte, Bier und Wein. Nur bei offenen Wasserkaraffen sollten Sie vorsichtig sein.

Laut Koran ist den Muslimen Alkohol verboten, dennoch werden in der Türkei jährlich große Mengen an Bier und dem Nationalgetränk Raki getrunken. Gerade Raki, ein hochprozentiger Anisschnaps, wird zu jeder Gelegenheit gereicht, als Willkommensgetränk vor dem Essen, während der einzelnen Gänge und auch als Magenbitter danach. Raki ist immer präsent, wird aber nur selten pur, stattdessen zumeist mit eiskaltem Wasser verdünnt genossen und erhält so seine typische milchige Farbe, die diesem Schnaps auch die Bezeichnung „Löwenmilch“ bescherte.  

Und sollte einmal der Kater nach einer langen Nacht allzu groß sein, so können Sie es mit einem bewährten Gegenmittel versuchen, mit einer speziellen Kuttelsuppe (Iskeme Corbasi), die noch die meisten Nachtschwärmer kuriert hat.

Die Istanbuler und ihr Fußball

Die Istanbuler sind vom Fußball fasziniert! Unzählige Fußballvereine sind in der Stadt zu Hause. Zu den bedeutendsten und berühmtesten Erstliga-Clubs zählen vor allem der 15fache türkische Landesmeister Galatasaray SK, der über 100 Jahre alte und damit einer der ältesten türkischen Fußballvereine Beşiktaş JK, und auch Fernerbahçe SK, der viele nationale Meistertitel für Istanbul gewann und von Christoph Daum trainiert wurde.

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